22. März 2018

Warum ich in den JVA-Gesprächskreis gehe (2)

Inhaftierung in der JVA Celle – und dann Selbstvorwürfe, Scham, Selbsthass. Immer tiefer verstrickte S.J. sich in seine negativen Gefühle. Er hatte kaum Hoffnung, da wieder rauszukommen. Bis ein Mitgefangener immer wieder das Gespräch mit ihm suchte.

 

Was soll ich da?

(Fortsetzung von Teil 1) … Nach einiger Zeit kam er eines Tages mit dem Vorschlag, ich solle doch mal in den christlichen Gesprächskreis von “Projekt Brückenbau” reinschauen. Er selbst war schon einige Jahre Mitglied und konnte nur Gutes berichten.

Meine erste Reaktion: Was soll ich da? Gott interessierte mich nicht die Bohne. Als Kind musste ich zweimal die Woche in die Kirche gehen. Gott oder Glauben wurden mir aber nicht vermittelt. Der Kirchgang war für mich eine widerliche Pflicht wie der tägliche Besuch der Schule. Ich war Ministrant und sogar Sternsinger – alles hat mich angekotzt. Mit 15 oder 16 Jahren war ich dann das letzte Mal in einer Kirche. Gott und Glaube spielten absolut keine Rolle mehr in meinem Leben. Und so habe ich dann auch gelebt. Wo es mich hingebracht hat, sehe ich ja jetzt.

Nach diesem Gespräch mit dem Mithäftling nahm die Frage nach Gott bei mir aber einen nicht für möglich gehaltenen Raum ein. Nachdem ich 40 Jahre ein oberflächliches und egoistisches Leben geführt hatte, musste ich nun zugeben, dass ich irgend etwas dringend ändern musste. Ohne große Erwartungen besuchte ich einige Wochen später wirklich zum ersten Mal den christlichen Gesprächskreis hier in der JVA.

 

Das Wort “Rettung” ist nicht übertrieben

Was soll ich sagen? Ich war positiv überrascht, wie gut mir diese Runde tat. Rückblickend fällt es mir schwer zu beschreiben, was damals auf mich so positiv wirkte. Es war das Gesamtbild. Die Stimmung war locker und ich fühlte mich einfach willkommen. Dieses Gefühl war keine Eintagsfliege, und so kann ich bis heute immer wieder von dieser Gemeinschaft und dem Zuspruch zehren.

Meine Rettung, und dieses Wort ist nicht übertrieben, war diese Gruppe. Sie gab mir die Möglichkeit, mich selbst neu zu ordnen und zu sortieren. Diese Leute gaben mir eine ganz neue Sichtweise auf Gott. Mit großer Neugier las ich nun erstmals die Bibel und bin über Theologie und Bibelstudium langsam aber stetig auch im Glauben gewachsen. Ich bin mit Sicherheit kein Vorzeigechrist. Aber ich bin froh, dass ich den Weg zu Gott gefunden habe.

Seit Jahren besuche ich nun regelmäßig den Gesprächskreis und möchte ihn auch nicht mehr missen. Hier habe ich echte Freunde gefunden. Diese Leute haben es geschafft, dass ich mich selbst wieder als Mensch akzeptieren kann und wieder ein Stück verlorener Lebensfreude zurückgefunden habe. Ich kann hier über alles reden, was mich bewegt , und finde immer ein offenes Ohr und Verständnis. Hier fühle ich mich nicht wie ein Knacki, sondern wie ein Mensch.

S. J., JVA Celle

“Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?”

Foto oben: twinlili, pixelio
Foto unten: Andreas Tittmann

 

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