3. April 2018

Ein unerwartetes Ostergeschenk

Was wird aus den Menschen, die man im Gefängnis manchmal über Jahre begleitet hat? Von einem von ihnen hat Uwe Engelmann, Leiter unseres Arbeitskreises in Osnabrück, am letzten Wochenende gehört. Er mailte uns:

 

Eine Kerze für M. …

Ostersonntag klingelte bei meiner Frau und mir das Telefon: „Hallo, hier ist M. aus Lingen!“

M. haben wir sehr lange Zeit in der Untersuchungshaft in Osnabrück begleitet. Er war regelmäßig bei unseren Gesprächskreisen dabei und sehr offen für Dinge des Glaubens, auch oder gerade weil er ein muslimischen Hintergrund hat und er immer auf der Suche nach Gott war, ist, sein wird…

Zunächst berichtet er ausführlich vom Stand der Dinge: Alles läuft sehr gut. Familie, Psychologen und Sozialdienst unterstützen ihn, und er hat sogar Aussicht auf den offenen Vollzug! Und dann fragt er mich recht spontan: Und? Hast du heute wieder eine Kerze für mich angezündet?

… und eine für den Arbeitskreis

Upps… Ich schreibe den Menschen, die ich mit betreue, immer von unserem Gottesdienst in der Gemeinde und den Möglichkeiten, die wir dort haben: eine Kerze für andere Personen anzünden, ein “Danke” an eine Tapete schreiben und anderes. Mir ist es wichtig, dass die Menschen, für die ich es eigentlich jeden Sonntag mache, auch davon wissen und ich hatte es auch M. vor längerer Zeit geschrieben.

Ja, habe ich! Obwohl es heute so voll war und fast 20 Kerzen in unserer Schale steckten!

Und er erzählt weiter: Ich habe heute auch eine Kerze für EUCH (!) angezündet. Bei uns gab es heute die Möglichkeit in unserem Gottesdienst. Wir durften die Osterkerzen dann eigentlich mit in unseren Haftraum nehmen, aber ich habe den Pastor gefragt, ob ich meine Kerze dort stehen lassen könnte. Diese Kerze brennt jetzt für euch!  Mensch, denke ich mir, toll!

Fenster in die Freiheit

M. erzählt weiter, was wir ihm als Gruppe in der U-Haft in Osnabrück bedeutet haben: Immer, wenn ihr zu uns gekommen seid, dann war das für mich so, als wenn sich das Fenster der Freiheit wieder öffnet. Dann war das nicht mehr Knast. Ihr habt so viel Hoffnung und Mut gemacht! Ihr habt uns ernst genommen und uns Dinge erzählt, über die ich lange nachgedacht habe. Ihr macht eine wirklich gute Arbeit. Und das auch noch freiwillig! Das ist wirklich gut!

Puh! Wenn jemand das SO ausdrückt, dann wird einem doch schon ziemlich warm ums Herz. Das ist schon mehr als ein dickes Osterei, das ist fetter Segen und für mich war es so, als wenn Gott uns zuruft: Ich bin an eurer Seite, verlasst euch auf mich, ich dringe mit meinem Geist in die Herzen der Menschen, ich schenke Veränderung und Befreiung! Selbst jetzt beim Schreiben werde ich innerlich tief berührt.

Dann brauche ich euch doch auch!

Wir haben auch noch über schwierige Dinge im Knast gesprochen, über Schwierigkeiten, die auftauchen, über Depressionen, die einen überfallen. Und die Ansprechpartner, die er hat, sind natürlich schon alle gut, aber es ist noch anders, wenn er mit uns, die wir freiwillig kommen, sprechen kann. Da ist eine andere Vertrautheit.

Und wenn ich im Offenen Vollzug bin und Probleme draußen auftauchen, dann brauche ich doch auch einen Ansprechpartner, anders als die Beamten oder die Familie, dann brauche ich euch doch auch!

Wir haben jetzt verabredet, dass wir ihn in absehbarer Zeit in Lingen besuchen werden. Und sein nächster Satz ist gleich: Aber ich weiß, dass ihr viel zu tun habt. Ihr sollt euch nicht übernehmen, euch kein Bein ausreißen. Aber ich würde mich SEHR darüber freuen…

Und: Ganz ehrlich, ihr glaubt gar nicht, wie ich mich wieder auf den nächsten Gesprächskreis in der U-Haft freue…. 🙂

Uwe Engelmann

 

“Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?”

Fotos: Osterlicht: Rita Gäbel, Tulpenstrauß: Petra Bork, beide pixelio, Fenster: Andreas Tittmann

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