1. September 2023

„Gott, wo bist du?“ – Traum eines Inhaftierten

Seit über zehn Jahren bin ich in Sicherungsverwahrung. 

Hier habe ich im Laufe der Zeit umfangreiche Behandlungen, Therapien und Einzelgespräche durchlaufen. Jetzt befinde ich mich auf der Zielgeraden. Zu erkennen, was ich getan habe, warum und weshalb, wie es den Opfern geht bzw. was daraus Schlimmes entstehen kann … einfach nur schrecklich. Ich werde gar nicht erst versuchen, es in Worte zu fassen.

Gott war ganz weit weg

Mein Glaube früher war sehr klein, uninformiert und desinformiert. Gott war da, aber ganz, ganz weit weg, irgendwo im Himmel fern von mir, meinen Taten, meinen Sünden, meinem Leben. Distanz machte mich sicher und gab Frieden, nicht Glauben. Aber Jesus wäre nicht Jesus, wenn Er es nicht gesehen hätte, was da läuft mit dem Sünder Rudi (Name geändert)! Vor einigen Jahren vorm Fernseher stellte ich mir plötzlich die Frage: Warum bin ich so, was bringt mir das alles, wo bist du, Gott?

Wo bist du, Gott?

Da packte mich eine Hand

Einige Zeit später hatte ich einen Traum. Schweißgebadet, voller Angst befand ich mich in einer Grube. Verzweifelt versuchte ich herauszukommen und wusste, dass ich in wenigen Augenblicken sterben würde. Ich wollte mit letzter Kraft an den Rand der Grube klettern, als der Boden wegbrach und ich fiel.

Da packte mich eine Hand am rechten Handgelenk und zog mich nach oben, als wäre ich eine Feder. Mit beiden Händen hielt ich mich an ihr fest. Vor mir stand eine Gestalt in weißem Gewand. Sie hatte etwas längere Haare, einen leichten Bart und Augen, die ich bis heute nicht beschreiben kann. Ich erkannte sogar einzelne Schattierungen des Gesichts. Es war Jesus, ja, Jesus Christus stand vor mir. Ich hatte seine Hand noch immer umschlungen. Ich spürte ein wohliges Gefühl der Geborgenheit, Sicherheit, Wärme und Liebe. Er umarmte mich und sagte mit einer Stimme, die mir heute noch Freude bringt: „Komm nach Hause, Rudi!“

„Komm nach Hause, Rudi!“

Ich konnte nichts sagen, aber ich fühlte mich wie ein Baby an der Brust seiner Mutter. Es gab nichts in diesem Moment, was hätte schöner sein können, nichts! Wieder sagte die Stimme: „Komm nach Hause!“ Ich schaute ihn an. Er lächelte und ich erwachte. Das Gefühl war noch da, das Gefühl der Errettung, die Freude, jede einzelne Situation, jede Bewegung, alles war da, real und doch, was war das gewesen?

Ich stand auf, ging auf die Toilette und schaute mich im Spiegel an. Mein Gesicht lächelte, meine Augen waren groß, meine Pupillen hatten etwas gesehen, was sie zuvor noch nie sahen. Jesus hat meinen Namen gesagt, schoss es mir durch den Kopf. Ja, komm nach Hause! Wohin nach Hause? Ich huschte ins Bett zurück, ich wollte wieder zu Jesus. Es gelang mir in dieser Nacht nicht mehr, Jesus zu finden.

Mentor im Glauben

Aber seit dieser Zeit lese ich die Bibel, schaue täglich Bibel TV und andere Sender, in denen es um das Evangelium der Gnade geht. Jesus, zu dem ich mich bekehrte, den ich als Erlöser und Retter angenommen habe, zeigt sich mir immer dann, wenn ich ihn suche. Und mittlerweile finde ich ihn überall. Halleluja, es stimmt: Jesus lebt, er ist auferstanden und hat uns vor Gott gerecht gemacht.

Und jetzt zu Ihnen, meine lieben Damen und Herren vom Schwarzen Kreuz. Danke, dass ich durch Ihren Verein Herrn F. und seine Frau kennenlernen durfte! Für mich ein Mentor, ein Bruder im Glauben. Jesus hat ihn mir geschickt. Mit Geduld und Ausdauer beschäftigt er sich jede Woche stundenlang mit mir. Er besucht mich jeden Monat und wir telefonieren auch. Er lebt mir Christsein vor. Ich bin so dankbar, dass ihr solche tollen, aufopferungsbereiten Mitarbeiter habt. Danke, danke, danke und Gottes Segen für Eure Arbeit. Ihr habt Anteil daran, dass ich wieder an Gott Gefallen und Glauben habe. Gott segne Euch im Namen von Jesus Christus!

Aus dem Brief eines Inhaftierten aus Baden-Württemberg

„Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?“

Kommentare: “„Gott, wo bist du?“ – Traum eines Inhaftierten”

  1. Thorsten sagt:

    Danke schön für dieses wunderbare und motivierende Zeugnis! Halleluja

  2. Der Beitrag motiviert mich selbst aktiv zu werden (da mache mich gerade auf den Weg) – so wie er mich gleichzeitig demotiviert. Ich will versuchen, das zu erklären:

    Natürlich ist die Wendung hin zu einem festen Glauben etwas sehr wichtiges, wenn jemand neu beginnen möchte, und es ist ganz großartig, was der Glaube mit diesem Menschen gemacht hat.

    Aber ich müsste für mich selbst noch den Zugang zu diesem konkreten Glauben finden, bevor ich christliche Motive für mich in Anspruch nehmen könnte, wenn ich künftig mit Straffälligen arbeiten möchte.

    Und ich weiß noch nicht einmal, ob ich das will, denn sicherlich ist die Nächstenliebe im Christentum ein sehr gutes Motiv – aber Nächstenliebe ist auch ohne das Christentum ein großartiges Motiv.

    Ich muss nachdenken … aber dieser Artikel gibt einem etwas zum nachdenken – und insofern DANKE – Danke an den, der den Artikel geschrieben hat. Ich wünsche ihm Glück.

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