Wieder einmal Waldluft atmen
Elisabeth sitzt im Gefängnis – seit fast zwanzig Jahren. Demnächst wird sie entlassen. Sie freut sich, natürlich. Sie will es schaffen, will zurück ins normale Leben, eine Wohnung finden, Arbeit, nie mehr straffällig werden.
Aber sie hat auch Angst. Sie kann so vieles nicht mehr, schon die einfachsten Dinge. Menschenmengen ertragen zum Beispiel, und wie fährt man Bus?
Dabei hilft ihr Ilona (Foto rechts). Vor einigen Jahren hatte Ilona Lust auf etwas Neues in ihrem Leben. Sie machte ein Seminar beim Schwarzen Kreuz mit. Dort erfuhr sie einiges über das Leben in Haft. Dann bewarb sie sich um einen Briefkontakt. Ihre Briefpartnerin wurde Elisabeth.
Training fürs “normale Leben”
Es blieb nicht beim Schreiben. Irgendwann wollte Ilona die Frau auch persönlich kennenlernen, die in so einer ganz anderen Situation als sie selbst lebte. Sie begann sie hin und wieder zu besuchen. Und seit Elisabeth manchmal die Gefängnismauern verlassen darf, um sich auf das Leben in Freiheit vorzubereiten, trainieren die beiden das „normale Leben“.
Zunächst wandern sie zusammen. Nach zwei Jahrzehnten wieder einmal Waldluft atmen, Rinde berühren, Eichhörnchen entdecken – Elisabeth saugt alles förmlich in sich auf. Aber irgendwann muss sie auch wieder unter Menschen. Mit Ilonas Unterstützung übt sie, Fahrkarten zu kaufen oder einen Cappuccino zu bestellen. Unbekannte nach dem Weg zu fragen wird zur Mutprobe.
Angst vor Wasser
Sie entdeckt, dass sie Angst vor Wasser bekommen hat. Im Gefängnis kommt Wasser nur aus dem Hahn. Ihr Heimatort aber liegt an der Elbe. Breit, gefährlich, unberechenbar sieht der Fluss für sie aus. Doch eines Tages betritt sie tatsächlich eine Fähre. Nur nicht nach unten sehen, immer schön geradeaus, und gut festhalten – und sie kommt heil am anderen Ufer an. Von jetzt an nimmt ihre Angst vor Wasser allmählich ab.
Ein Museumsbesuch, ein Picknick – Elisabeths Selbstvertrauen und ihre Lebensfreude wachsen. Mit Ilona spricht sie durch, was sie sich für ihr Leben in Freiheit vorgenommen hat. Keine Schulden machen. Und vor allem vorsichtig sein mit ihrer großen Sehnsucht nach Zärtlichkeit, nicht wieder in Missbrauch und Gewalt hineinrutschen.
Als sie aus dem Gefängnis entlassen wird, holt Ilona sie ab. Doch irgendwann muss Elisabeth allein weiter. Mit dabei hat sie Ilonas Handynummer und das Wissen, dass jemand an sie denkt und für sie betet.
Foto: H.D. Volz, www.pixelio.de
Wieder einmal Waldluft atmen hat mich sehr berührt! Ich habe mir vorgenommen, mehr für diese Arbeit zu beten.
Gott segne Elisabeth