28. Februar 2019

Fetales Alkoholsyndrom (FAS) bei Gefangenen?

Wenn eine  Schwangere Alkohol trinkt, kann das zu irreparablen und nicht unbedingt offen erkennbaren Schäden bei ihrem Kind führen: das „Fetale Alkoholsyndrom“ (FAS/FASD) . Seit einigen Jahrzehnten gibt es dazu eindeutige Untersuchungen. Weniger erforscht ist, was aus diesen Kindern wird, wenn sie erwachsen sind. Fest steht allerdings, dass sehr viele von ihnen große Schwierigkeiten haben, ihr Leben eigenständig zu bewältigen. Laut einer amerikanischen Studie (siehe unten) landen 35% von ihnen sogar als Erwachsene im Gefängnis. Viele Menschen, die es nicht schaffen, aus der Straffälligkeit herauszukommen und daher immer wieder die Gefängnisse bevölkern, leiden daher möglicherweise an FAS, ohne dass sie oder ihre Umgebung es wissen. Und lassen daher manchen, der ihnen helfen möchte, ob Ehrenamtlicher oder Professioneller, ratlos zurück.

„Warum ändert sich da nichts?!“

Dass FAS „entdeckt“ wurde, hat zum Teil mit einer solchen Ratlosigkeit bei Pflege- und Adoptiveltern zu tun. Immer wieder einmal kam es vor, dass sie mehrere Kinder betreuten und feststellten: Einige entwickelten sich in ihrer neuen Umgebung gut, bei anderen dagegen schienen alle Mühen nichts zu fruchten. Sie konnten zum Beispiel hyperaktiv sein, lernschwach, schnell frustriert, zeigten aggressives Verhalten und waren  schwer ansprechbar oder zeigten ähnliche Symptome. Und vor allem änderte sich im Laufe der Zeit kaum etwas, im Gegensatz zu manchen Pflegegeschwistern, die sich anfangs ähnlich verhalten hatten und dann aber positiv entwickelten. 

Schließlich fand man heraus, dass diese Dinge mit Alkoholkonsum der Mütter während der Schwangerschaft zusammenzuhängen schienen. Körperliche Symptome konnten sich mit zunehmendem Alter zurück bilden, die nicht sichtbaren Beeinträchtigungen aber blieben weitgehend und führten oft zu innerer Schwäche und Unselbständigkeit.

„35 Prozent inhaftiert“

Wie entwickeln sich diese Kinder, wenn sie erwachsen werden? Dazu ein Ausschnitt aus dem Ärzteblatt (vollständiger Bericht hier), Hervorhebung von mir:

„Bislang wurden nur wenige Langzeitverläufe publiziert. Besonders intensiv wurden in den USA die Langzeitfolgen von FAS untersucht. (…) Davon wurden mittels einer Querschnittsuntersuchung insgesamt 90 Patienten im Erwachsenenalter (mittleres Alter 25 Jahre) untersucht. Die wichtigsten Befunde waren: (…)

  • Bei 60% der Betroffenen war es zu Konflikten mit dem Gesetz gekommen.
  • 50% der Erwachsenen hatten einen Freiheitsentzug erlitten ( 23% wegen psychischer Störungen, 15% durch stationäre Entzüge bei Alkohol-/Drogenabhängigkeit und 35% wurden wegen krimineller Straftaten inhaftiert). (…)“

„86 Prozent ohne Berufsausübung“

Weiter unten im Ärzteblatt wird eine deutsche Studie zitiert:

„Gravierende Spätfolgen sind die bleibenden schweren und klinisch bedeutsamen Verhaltensauffälligkeiten, die in Verbindung mit der Intelligenzminderung nur begrenzte berufliche Qualifikationen und häufig eine Betreuungsabhängigkeit im Erwachsenenalter zur Folge haben. So lebten nur 29,5% (11 von 37) der erwachsenen Patienten selbstständig, hingegen 70,5% (26 von 37) in Abhängigkeit beziehungsweise unter Betreuung. Von den inzwischen jungen Erwachsenen hatten trotz intensiver langjähriger schulischer und beruflicher Förderung nur 13,5% (5 von 37) einen Beruf erlernt oder verdienten ihren eigenen Lebensunterhalt; dagegen waren 86,5 % (32 von 37) Patienten ohne eine dauerhafte Beschäftigung und ohne Berufsausübung.“

Bei diesen jungen Erwachsenen wurde FAS schon als Kind diagnostiziert. Daher gehe ich davon aus, dass die meisten wohl als Kinder in einer Umgebung lebten,  die aufmerksam und liebevoll ihnen gegenüber war und sie gefördert hat. Und trotzdem diese Zahlen.

Was mag dann erst sein mit FAS-Kindern früherer Zeiten, die heute im fortgeschrittenen Erwachsenenalter sind und um die sich damals niemand groß gekümmert hat? Deren angeborene psychische Beeinträchtigungen noch verstärkt wurden durch alkoholabhängige Mütter oder Eltern, vielleicht Vernachlässigung, Gewalt und Missbrauch? Wie viele von ihnen mögen heute im Gefängnis sitzen? Und wie kann man sinnvoll etwas für sie tun?

Ich hoffe, dass es auch dazu irgendwann einmal eine Studie gibt.

Ute Passarge, Schwarzes Kreuz Celle

Weitere Informationen:

„Vollrausch im Mutterleib“: Leben mit einem FAS-Kind (zeit-online.de)

„Dass ich ganz allein die Schuld daran trage“: Die Mutter eines Kindes mit FAS-Syndrom erzählt. Darin auch: „Warum jedes Glas eines zu viel sein kann“ (zeit-online.de)

 Informationsportal der FASD Deutschland

„Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?“

Foto: Heike Zabel, pixelio

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