“Auftrag ohne Antrag”: neues Projekt zur Haftvermeidung
Es ist immer wieder ein tolles Gefühl, wenn man jemandem wirklich helfen kann. Zum Beispiel vermeiden, dass jemand ins Gefängnis muss. Manchmal ginge es aber auch noch besser und einfacher für alle Seiten.
Das gilt auch für Fachleiter Holger Reiss und seine Kolleginnen von der Anlaufstelle „Projekt Brückenbau“: Mit ihrer Hilfe und der Unterstützung weiterer Stellen schaffen es Straffällige manchmal, ihre Finanzen so zu organisieren, dass sie eine Geldstrafe doch noch aufbringen können. Damit sie nicht „ersatzweise“ hinter Gitter müssen. „Geldverwaltung zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen“ heißt das etwas umständlich.
Nicht alle können sich Hilfe suchen
Der Haken an der Sache: Das funktioniert nur, wenn die Straffälligen von sich aus initiativ werden und sich an die Anlaufstelle wenden. Was aber, wenn jemand zum Beispiel Sprachschwierigkeiten hat und die Briefe nicht richtig versteht, wenn er stark depressiv ist oder einfach von weiteren großen Problemen überwältigt? Wenn er oder sie es einfach nicht schafft, sich Hilfe zu suchen? Dann führt zurzeit kein Weg an einer Ersatzfreiheitsstrafe vorbei. Doch wenn die Haft länger dauert, hat das oft gravierende Folgen für Wohnung, Besitz, Arbeitsstelle und damit auch die Familie. Und den Staat kostet die Haft Unsummen. Da gewinnt niemand.
Hessen als Vorläufer
Das muss doch auch anders gehen, dachte man sich in Hessen. Dort gibt es inzwischen das Projekt „Auftrag ohne Antrag“. Hier dürfen die jeweiligen Stellen jetzt von sich aus auf die Verurteilten zugehen und ihre Hilfe anbieten. Damit die Geldstrafe durch Ratenzahlungen oder auch gemeinnützige Arbeit noch rechtzeitig und stressfrei abgewendet werden kann. Und davon profitieren alle Seiten – die Verurteilten und ihre Familien, die Gesellschaft, der Staat.
Modell wäre Erleichterung
Unsere Anlaufstelle Projekt Brückenbau bekommt es dagegen nicht zu wissen, wenn jemandem eine Ersatzfreiheitsstrafe droht. Darum klingelt es bei Holger Reiss und seinen Kolleginnen manchmal Sturm an der Tür, wenn jemandem auf einmal bewusst geworden ist, dass eine Inhaftierung unmittelbar bevorsteht. Je später jemand kommt, desto schwieriger wird es meist zu helfen. „Auch für uns in Niedersachsen wäre das hessische Modell eine echte Erleichterung!“, so Holger Reiss.
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