Jugendliche in Nienburg: „Nie wieder kriminell!“
Es ist purer Stress, dauerhaft in kriminellen Strukturen zu stecken! Man hat immer Angst geschnappt zu werden, man macht alles falsch und überall lauern Gefahren. Jugendliche Straffällige kennen das, was viele „normal“ nennen, aber oft nicht und wissen nicht, wie man das hinbekommt.
Im Jugendarrest besteht noch die Chance, die (meist) Jungs vor dem richtigen Knast zu bewahren! Darum geht unsere Nienburger Gruppe jeden zweiten Sonnabend dort in die Jugendarrestanstalt (JAA). „Happy hour“ heißt unser Projekt.
„Erziehungsmaßnahme“
In der JAA Nienburg verbüßen männliche Jugendliche zwischen 14 und etwa 23 Jahren einen Arrest zwischen 2 Nächten und 4 Wochen. Sie kommen vor allem aus Celle, Bremen und Peine. Typische Delikte haben etwas mit Prügeleien, Drogen oder Schulschwänzen zu tun. Wichtig: Der Arrest ist noch keine Jugendhaft. Er gilt nicht als Inhaftierung, sondern als Erziehungsmaßnahme. Die äußeren Bedingungen ähneln sich zwar, aber die Jugendlichen bekommen noch keinen Eintrag im Strafregister.
Die meisten dieser Jugendlichen haben keinen oder einen schlechten Schulabschluss. Zudem stecken sie oft in familiären und sozialen Konflikten und haben regelmäßig Kontakt zu Alkohol und Drogen. Ihre Freizeit beschränkt sich häufig auf „chillen“ – in diesem Fall herumhängen, kiffen und Langeweile haben. Die Menschen in ihrem Lebensumfeld befinden sich überwiegend in schwierigen Verhältnissen und können ihnen wenig helfen.
Unrealistisch wie ein Lottogewinn
Privaten Kontakt zu Menschen außerhalb ihres Milieus haben sie normalerweise nicht. So kennen sie oft keine Menschen, die ein „bürgerliches“ Leben führen, in dem es Struktur, Perspektive und Organisation gibt. Dieser Lebensentwurf scheint ihnen deswegen weit weg und als nicht umsetzbare Alternative. Schön, aber unrealistisch wie ein Lottogewinn.
Auch die mangelnde Bildung steht ihnen häufig im Weg. Da sie für sich keine echten Perspektiven sehen, versuchen sie selten, ihr Leben in geregelten Bahnen zu gestalten. Sie fühlen sich überfordert mit der Organisation eines „normalen“ Lebens. Dazu haben sie meistens noch viele andere Probleme, die sich in den Vordergrund drängen (z.B. Schulden, familiäre Konflikte, ungeöffnete Briefe, ungeklärter Wohnsitz, Suchtprobleme). Sie bräuchten umfassende Unterstützung für Alltägliches.
Eine Aufgabe bekommen
Ihr Leben mit beiden Händen anzupacken und etwas daraus zu machen – ob Arbeit, Freizeit, Finanzen, Konfliktbewältigung – überfordert sie schnell. Oft ist es so, dass sie ihre eigenen Stärken nicht kennen und sich selbst als „nutzlos“ und „zu dumm“ beschreiben. Ihre Selbstwahrnehmung ist geprägt von Defiziten. Sie brauchen eine Aufgabe, die ihnen Spaß bringt und die sie gut können, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Dann fühlen sie sich der Gesellschaft mehr verbunden und sehen in ihrem Leben einen Sinn, dem es nachzugehen lohnt.
Raus aus einem Leben, wie sie es jetzt führen, wollen so gut wie alle. „Ich geh hier raus und komme nie wieder“ ist ein Satz, der fast allen leicht über die Lippen geht. Für die Umsetzung jedoch brauchen sie Unterstützung und Menschen, an denen sie sich orientieren können und die sie aus ihrer Lethargie herausholen.
Und genau das versuchen wir – wenigstens einmal alle zwei Wochen!
Unsere ehemalige Berufspraktikantin Esther Birr (rechts), die dieses Projekt mit gegründet hat, erzählt: „Ich bin ja gar nicht so dumm“ war ein Feedback, das uns bestätigte, das Richtige zu tun. Ein anderer Jugendlicher sagte einmal, während ich mit alkoholfreiem Cocktail in der Hand Quizfragen stellte: „Das ist aber auch nett verdientes Geld!“ Da hatte er definitiv Recht.
An diesen Sonnabenden streifen wir das Leben der Jugendlichen nur. Aber mitten im Schockerlebnis Jugendarrest können ein paar Stunden Spaß, Gespräche, Wertschätzung können schon viel bedeuten. Und die Jugendlichen bekommen unsere Adresse an die Hand und wissen – da sind Menschen, die verlässlich sind. Christen, an die sie sich auch später wenden können und die ihnen helfen werden.
Weitere Blogbeiträge zu diesem Projekt finden Sie hier.
„Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?“
Fotos (von oben nach unten): Erwin Lorenzen, adel, S. Hofschläger, alle pixelio; Schwarzes Kreuz