7. Januar 2019

JVA-Seelsorge: “Arbeit macht riesengroße Freude”

 

 

Meine Arbeit macht mir riesengroße Freude. Kaum vorstellbar für „uns da draußen“, dass man sich hinter meterhohen Mauern und zahlreichen Türen und Gittern so wohl fühlen kann. Hier bin ich frei, Seelsorge und Glaube so zu leben und zu gestalten, wie es mir am Herzen liegt.

Ich stelle Fragen und ich werde in Frage gestellt. Ich kann  mich nicht ausruhen auf frommen oder theologischen Antworten. Mein Glaube und meine fachliche wie menschliche Kompetenz werden hier täglich neu angefragt. Das finde ich spannend und  lebendig.

Gebete für die Opfer

Tagtäglich begegne ich den Fragen, Sorgen, Nöten, Eigenheiten, Liebenswürdigkeiten, Abgründen, Warmherzigkeiten und Sehnsüchten anderer Menschen. In vielen kleinen Schritten kann ich ein Stück des Weges mitgehen. Mein Versuch, die Schicksale der Frauen kennenzulernen und ein wenig zu verstehen, heißt nicht, alle zu entschuldigen. Es gibt Taten, die sind unentschuldbar und so entsetzlich, dass sie unsere Vorstellungskraft überfordern. Meine Gebete gelten immer auch ihren Opfern. Aber manchmal ist die Grenze, wer Opfer oder Täterin ist, fließend. Viele der Frauen haben von Kindesbeinen an abgrundtiefes Leid und brutale Gewalt erlebt. Nicht unähnlich dem, was sie vielleicht später selbst einem Menschen angetan haben.

Die einzige ehrliche Liebeserklärung

Den Anspruch an meine Arbeit stellt mir Gott. Ich bin nicht hier, um Recht zu sprechen, Urteile zu fällen oder irgendwie zu richten und zu verurteilen. Ich kann nur immer wieder versuchen, meine Frauen hier mit den liebenden Augen Gottes zu sehen. „Auch Du bist und bleibst Mensch“ – was immer auch Du getan hast. Denn diese Zusage Gottes ist oft die einzige ehrliche Liebeserklärung, die eine Frau je gehört hat. Und sie gilt uns allen.

So büßen die Frauen ihre Verbrechen und Taten nicht nur mit  Freiheitsentzug auf 8 m² Zelle, sondern auch mit dem Verlust von Liebe und Teilhabe am Leben. Ich versuche, das in Gesprächen, in Gottesdiensten und im Dasein zu erleichtern, aber auch durch kleine alltägliche Dinge, die helfen, das Alleinsein im Haftraum und mit sich selbst zu ertragen – zum Beispiel Briefmarken, Tagebücher, Buntstifte, Postkarten, Wolle zum Stricken, bei großer Armut auch mal das Bezahlen der Fernseh- oder Telefongebühren. Zum Glück helfen dabei einige Spender.

Seit dem 1. August 2018 bin ich nun dabei. Begonnen habe ich diese Arbeit mit viel Neugier, Mut und großer Freude. Heute weiß ich, dass ich hier am richtigen Ort bin.

Pastoralreferentin Christiane Weber-Lehr, Katholische Gefängnisseelsorge JVA Frankfurt III

Foto oben: privat, Foto unten: Pauline, pixelio

“Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?”

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