5. September 2014

Was mir als Briefpartnerin wichtig ist

Für mich ist das Schreiben eine große Hilfe, mit den Schwierigkeiten des Lebens fertig zu werden. Ich schreibe meine Gedanken auf, zum Beispiel im Tagebuch, und dabei sortieren sie sich.

So ist es sicher auch für manch einen Inhaftierten, wenn er einen Brief formuliert.

 

Allzu schnell purzelnde Worte

Wie oft purzeln uns zu schnell oder unüberlegt Worte heraus. Wenn wir uns dagegen hinsetzen und schreiben, uns die Zeit nehmen, Gedanken und Gefühle schriftlich festzuhalten, beschäftigen wir uns intensiv mit einem Thema. Was ja wiederum ein guter Weg ist, sich mit seinen Problemen auseinander zu setzen. Oft wird dann vieles klarer.

Als Briefpartnerin eines Inhaftierten höre ich nicht nur von seinen Gedanken, sondern ich lese sie. Wie oft geben wir als Hörende allzu schnell Antwort und bieten voreilig Lösungsvorschläge an.

 

Ermutigen können

Bekomme ich dagegen einen Brief aus dem Gefängnis, kann ich ihn lesen, ihn dann erst einmal weglegen, darüber nachdenken, ihn noch einmal lesen und dann in aller Ruhe antworten. Ich darf Anteil nehmen am Erleben und an den Gefühlen der Inhaftierten. An ihrer Freude und ihrer Hoffnung, an ihrer Trauer und ihrer Angst, an ihrer Ohnmacht und ihrer Verzweiflung.

Ich darf mit ihnen gemeinsam Wege zur Versöhnung finden, mit sich selbst, ihrer Umwelt und mit Gott.

Ich darf ihnen Mut machen, trotz aller Schwierigkeiten ein späteres Leben in der Freiheit zu wagen.

Ich darf für sie auch eine Stimme in der Gesellschaft sein.

Was mir noch wichtig ist?

Der Schutz der seelsorgerlichen Verschwiegenheit, denn hier sind Menschen, die mir etwas aus ihrem Innersten anvertrauen. Dieses Vertrauen möchte ich nicht missbrauchen.

 

„Sehen Sie Erfolge?“

Auch ich selbst habe einen Ansprechpartner und kann Hilfe in Anspruch nehmen. Ich kann mit meinen Fragen zu jeder Zeit beim Schwarzen Kreuz anrufen. Ich werde in diesem Dienst nicht allein gelassen.

Ich wurde einmal gefragt: „Sehen Sie denn Erfolg in dieser Arbeit?“ Was für eine Frage?! Die kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Für mich ist die Arbeit dann erfolgreich, wenn ich Vertrauen, Zuversicht und Aufmerksamkeit weitergeben kann an die Menschen, die ich begleite. Wenn dann ein Brief kommt von Inhaftierten, die wieder draußen sind, und ich spüre: Auch in ihnen wächst wieder Zuversicht und Vertrauen ins Leben.

Michaela Ratzke

 

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Foto: Wilhelmine Wulff, pixelio

 

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