Vorlesegeschichten aus dem Gefängnis – eine Mutter erzählt
Was bedeutet es für Kinder, Tonaufnahmen mit Vorlesegeschichten von ihrem inhaftierten Vater oder Großvater zu hören? Das fragten wir eine Mutter. Bei unserem Projekt „Nachricht von Papa“ in der JVA Celle konnten inhaftierte Väter und Großväter ihren Kindern bzw. Enkelkindern bis Ende 2022 Bücher vorlesen. Die Tonaufnahmen davon haben wir direkt zu den Familien nach Hause geschickt. Damit sollten die Beziehungen gestärkt werden.
Können Sie uns von Ihren Erfahrungen mit dem Projekt “Nachricht von Papa” erzählen?
Ja, natürlich. Ich bin Mama von einem zweijährigen und einen zehnjährigen Sohn. Mein Vater ist schon lange im Gefängnis, er kam mit dem Projekt zu uns und wollte, dass wir daran teilnehmen.
Wo wohnt Opa jetzt?
Sprechen Sie mit Ihren Kindern über die augenblickliche Haftsituation?
Mein Großer weiß ungefähr, was los ist. Ich versuche aber, das Thema zu vermeiden. Es fällt mir schwer, mit ihm darüber zu reden oder es ihm zu erklären. Manchmal sage ich ihm nur: „Der Opa wohnt in Celle“, dann sagt er: „In einer Zelle, oder?“ Daran merke ich, dass er schon verschiedene Wörter aufschnappt und an seinen Opa denkt. Ich glaube, das tut ihm gut und meinem Vater auch.
Besuchen Sie mit Ihren Kindern Ihren Vater in der Justizvollzugsanstalt?
Ja, mein Großer ist damit aufgewachsen. Es war in einem bestimmten Alter sehr gewöhnungsbedürftig für ihn. Er hat nie ganz verstanden, warum wir nicht einfach rausgehen können. Ganz komisch fand er auch die Menschen, die die Türen auf- und zuschließen. Irgendwann war es dann aber ganz normal für ihn.
Damit er nicht vergessen wird
Wie haben Ihre Kinder darauf reagiert, als sie zum ersten Mal die vorgelesene Geschichte gehört haben?
„Das hört sich aber komisch an“, hat der Große das erste Mal gesagt. Aber dann fand er es cool und hat sich gefreut. Ich glaube, dass der Kleine weiß, dass sein Opa da spricht, aber richtig verstehen tut er es noch nicht. Ich finde es gut, dass beide seine Stimme regelmäßig hören können. Ich hoffe, dass er so seinen Opa nicht vergisst.
Würden Sie anderen Familien empfehlen, an einem ähnlichen Projekt teilzunehmen?
Auf jeden Fall, es ist ein tolles Projekt! Erstmal war es ungewohnt, den Opa vorlesen zu hören, man hat gehört, dass er sehr nervös war. Aber es ist eine schöne Erinnerung, vor allem für später. Als mein Vater mir von dem Projekt erzählt hat, habe ich mich sehr darüber gefreut, dass er an uns denkt. Es ist eine tolle Idee, um die Verbindung zu halten. Ich bin dankbar, dass wir daran teilnehmen konnten.
Aus dem Infobrief PB-aktuell 2023-1 unserer Anlaufstelle für Straffällige „Projekt Brückenbau“
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