6. Oktober 2017

Spannend: Begegnung mit dem Briefpartner


Meinen inhaftierten Briefpartner das erste Mal zu besuchen, das war eine ganz schön spannende Sache. Unser Briefkontakt war schon nicht so ganz einfach gestartet. Ich hatte keine Erfahrung mit Menschen im Gefängnis. Lange hatte ich mir überlegt, was ich im ersten Brief schreiben sollte – und dann kam keine Antwort! Hatte ich was falsch gemacht?! Vielleicht war ich einfach nicht die Richtige für so einen Briefkontakt? Ich zermarterte mir den Kopf, aber Frau Meifert vom Schwarzen Kreuz beruhigte mich. Möglicherweise mochte mein Briefpartner aus irgendwelchen Gründen gerade nicht schreiben, vielleicht war er krank oder der Brief verloren gegangen … Ich schrieb ihm noch einmal eine Karte.

Später kam endlich Post – und es stellte sich heraus, dass die zwei ersten Briefe an mich verloren gegangen waren, auf welchen Wegen auch immer. Und gleich hatte ich etwas gelernt: In der Straffälligenhilfe ist wichtig, dass man nicht aufgibt!

Ob das alles so stimmt …

Dann entwickelte sich soweit alles gut. Er war ein sympathischer, gutmütiger Mensch; manchmal allerdings klang das eine oder andere, was er schrieb, für mich unwahrscheinlich oder widersprüchlich. Ich bat ihn, mir auf alle Fälle immer die Wahrheit zu sagen. Nichts wäre schlimmer für mich als herauszufinden, dass ich belogen wurde.

Er erwähnte einmal, er habe noch nie Besuch im Gefängnis bekommen. Das wollte ich ändern. Nun wohne ich in Rostock, und die JVA ist in Bayern, in Straubing. Also wollte ich einen Besuch mit ein paar Urlaubstagen verbinden. Mein Briefpartner stellte einen Besuchsantrag für mich, und soweit sah alles gut aus.

Dann aber kam und kam keine Genehmigung der JVA! Was nun? Auf gut Glück losfahren? Den Urlaubstermin verschieben und alles stornieren? Im letzten Moment schließlich hieß es: Alles klar!

Ganz schön nervös

Also stand ich zum ersten Mal vor einer JVA. Sachen abgeben, sich durchsuchen lassen … ich war ganz schön nervös. Und dann sah ich zum ersten Mal meinen Briefpartner. Eine Schönheit war er nicht: Lange graue Haare – für den Friseur fehlte ihm das Geld, sagte er später -, ihm fehlten zwei Zähne, und man sah ihm einfach an, dass er so einiges im Leben mitgemacht hatte.

Wir nahmen uns spontan in den Arm. Gleich kamen wir ins Reden, und die Zeit verging wie im Flug. Endlich konnten wir uns auch mal in die Augen sehen und waren nicht nur auf Geschriebenes angewiesen!

Ich bin erleichtert, dass es insgesamt so gut gelaufen ist. Jetzt gehen die Briefe auch flüssiger von der Hand. Mal sehen, wann ich meinen Briefpartner das nächste Mal besuchen kann.

Gabriele Wauschkuhn (aufgezeichnet von Ute Passarge)

Foto: Gabriele Wauschkuhn

“Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?”

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