Drei Jahrzehnte Briefkontakte: eine Ehrenamtliche erzählt
Kaum jemand im Schwarzen Kreuz hat so viel Erfahrung als Briefpartnerin inhafiterter Menschen wie Frau K.: In gut drei Jahrzehnten hatte sie eine Vielzahl von ganz verschiedenen Briefkontakten, übrigens fast ausschließlich Männer.
Wie sind Sie gerade auf Briefkontakte gekommen?
Als junge Frau hatte ich ganz zufällig einen Briefkontakt mit einer inhaftierten Frau. Das war für mich eine tolle Erfahrung. Zehn, fünfzehn Jahre später habe ich mich wieder daran erinnert und wandte mich ans Schwarze Kreuz. Dort habe ich die Ausbildung mitgemacht und startete 1991 als Ehrenamtliche. Manche Briefkontakte waren schon nach kurzer Zeit beendet, andere gingen über viele Jahre.
Was war es, dass Sie so daran begeistert hat?
Als junge Frau war ich davon beflügelt, von Jesus zu erzählen. Schnell habe ich gelernt, dass ich mich hier zurücknehmen muss. Es darf sich niemand bedrängt fühlen. Ich schreibe aber in einer Haltung des Gebets. Dann brauche ich nicht unbedingt von Gott zu reden, sondern kann meinen Briefpartner einfach wortlos Gott anvertrauen.
Mich motiviert eine große Liebe zu Menschen in Haft. Natürlich gab es auch immer mal die eine oder andere Enttäuschung, aber diese Liebe ist immer geblieben. Ich glaube, sie kommt von Gott. Ich verspürte immer einen Drang, inhaftierten Menschen zu schreiben. Heute erst recht, denn als Rentnerin habe ich jetzt mehr Zeit. Mir gefällt daran, immer wieder neue Menschen kennenzulernen. Jeder ist anders, jeder ist interessant.
Haben Sie bestimmte Grundsätze beim Schreiben?
Wichtig ist mir, jeden Menschen so zu akzeptieren, wie er ist, egal was er getan hat. Die Straftat spreche ich von mir aus nicht an. Meist geht es darum in unseren Briefen auch gar nicht. Und der Briefkontakt muss auf Augenhöhe stattfinden. Man darf nicht belehrend rüberkommen.
In meinem Verhalten versuche ich eine Balance zwischen Offenheit und Vorsicht. Ich will den anderen nicht ausfragen, sondern ihn anhand meines eigenen Verhaltens zu Offenheit ermutigen. Also erzähle ich recht viel von mir und meinem Leben. Aber ich bleibe vorsichtig dabei. Manchmal ist der andere auch ganz voll von dem, was ihm auf der Seele brennt. Dann stelle ich natürlich seine Anliegen ganz in den Vordergrund.
Viele Menschen sind dabei, mit denen man tolle und spannende Briefwechsel hat. Manchmal fällt dem Gegenüber das Schreiben allerdings sehr schwer. Das macht dann nicht unbedingt Spaß, aber gerade diese Menschen sind oft besonders einsam und brauchen einen.
Der erste Brief fällt vielen schwer – was schreiben Sie?
Ich erzähle erst einmal ein bisschen aus meinem Leben. Dann stelle ich einige wenige Fragen und bitte den Briefpartner, dass auch er mich alles fragt, was er möchte. Da ich beruflich mit Glauben zu tun habe, weiß er dann gleich, dass er mich auch hierzu alles Mögliche fragen kann, falls er das will.
Im ersten Brief sieze ich grundsätzlich. Ich nenne nur den Vornamen oder auch Vor- und Nachnamen, also zum Beispiel „lieber Uwe“ oder „lieber Uwe Meier“ in der Anrede, aber ich bleibe beim Sie. Falls der Gefangene dann zum Du übergehen möchte, ist das für mich völlig okay. Nach meinen Erfahrungen spielt es für die Qualität eines Briefkontaktes keine Rolle, ob man einander siezt oder duzt.
Gab es in den über drei Jahrzehnten auch negative Erfahrungen?
Nicht wirklich. Ich weiß allerdings, dass ich vorsichtig umgehen muss mit dem, was die Briefpartner mir sagen. Nicht alles entspricht immer der vollen Wahrheit. Das gilt nach meiner Erfahrung insbesondere für Menschen, die wegen eines Betrugsdeliktes in Haft sind. Und einige scheinen sich vor allem materielle Vorteile zu erhoffen. Da muss man klare Grenzen ziehen. Wenn der andere den Briefkontakt daraufhin beendet, ist es eben so.
Aber jeder Mensch ist anders, und man muss aufpassen, dass man nicht zu sehr verallgemeinert. Die meisten Briefpartner waren mir gegenüber immer offen und ehrlich, und es waren tolle Begegnungen. Das Positive überwiegt bei weitem!
Hätten Sie zum Schluss noch einen besonderen Tipp für unsere Ehrenamtlichen?
In der trüben Gefängniswelt kommen bunte Farben besonders gut an! Nach meinen Erfahrungen freuen sich Inhaftierte total über bunte Postkarten, die man ihnen beilegt, oder über einen schön verzierten Brief – allerdings ohne Aufkleber, die sind in vielen JVAen nicht erlaubt. Lebendig, bunt, auch ein Schuss Kitsch darf durchaus sein. So etwas hellt die Stimmung auf. Ich habe festgestellt, dass das ein toller Weg sein kann, um gerade diejenigen Gefangenen anzusprechen, die sich mit schriftlichem Ausdruck schwertun. Und alle anderen freuen sich genauso.
Der Himmel verkündet es: Gott ist groß! Das Weltall erzählt von den Werken seiner Hand und ein Tag sagt es dem andern, jede Nacht ruft es der nächsten zu.
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