Gefängnisgottesdienste mit gestalten
Es ist wie ein “Gruß von draußen”: Viele Gefängnispfarrerinnen und –pfarrer freuen sich, wenn Mitglieder der Ortsgemeinden sich mit einbringen. So kommen Leben, Farbe und Vielfalt ins Gefängnis. Ehrenamtliche des Schwarzen Kreuzes machen dabei mit und auch Ehrenamtliche anderer Organisationen. Eine von ihnen ist Jutta Sieper (gekürzte Fassung eines Artikels in „Der Scheideweg“):
Ich trete ein und sehe mich um:
Der Kirchenraum hat Gitter vor den Fenstern, Kanzel, Kreuz, Kerze, Heiligenbild und Platz für etwa 100 Personen auf den Kirchenbänken. Gottesdienste haben feste Zeiten und Regeln für die Gefangenen und Besucher. Die Gefangenen stellen einen Antrag auf Teilnahme beim Pfarrer, sie werden von Beamten zum Gottesdienst gebracht. Die Gruppe der Ehrenamtlichen muss samt Instrumenten, Technik und Transportfahrzeug vorher angemeldet werden. Am Eingang Sicherheitscheck und: Keine Handys in der Anstalt!! Welcome to Planet Prison.
Ich blicke in die Gesichter: Was hat Gott ihnen und mir zu sagen?
Wir wollen hier für und mit Gefangenen Gottesdienst gestalten, Gottes Wort verkündigen: Gläubige Gefangene brauchen geistige Nahrung, Interessierte neue Gedanken. Anderen wollen einfach nur von der „Hütte“. Jeder Grund ist ein guter Grund.
Wie gelingt das?
Hierzu sinngemäß ein Gefängnisseelsorger: „Wir haben einen Auftrag, ein Ziel. Alles, was dieses Ziel nicht fördert, ist für den Moment zweitrangig.“ („Partydress ist nicht.“) Wir müssen nicht perfekt sein, aber professionell im Sinne von gut vorbereitet und konzentriert bei der Sache.
Wie treten wir auf?
Lebendig und bescheiden. Die Beziehung zu Gott ist in unserer Gesellschaft weitgehend Privatsache. Deshalb erfahren die meisten Gefangenen im Gottesdienst von einem völlig neuen „Produkt“. Sie kennen den Nutzen nicht. Sie haben den Kopf voll. Wir Gäste beherrschen weder die ungeschriebenen Regeln noch sprechen wir „Knastdeutsch“. Wir bringen unsere persönliche „Draußen-Welt“, unsere Lebenserfahrung und christliche Denkmuster und Traditionen mit.
Kann daraus etwas werden?
Ja! Trotz aller Fragezeichen geschieht in einer Stunde oft Wunderbares, wenn unsere Sehnsucht nach Glück, Sinn, Vergebung und Heilung angesprochen ist. Denn im Hintergrund läuft ja längst eine Geschichte zwischen Gott und jedem Menschen. Gott ist im Gottesdienst – als Regisseur. So werden nicht nur Gefangene bewegt, auch Besuche verlassen das Gefängnis – erfüllt und erfrischt. Gottesdienste im Gefängnis sind eine einmalige Chance. Es ist gut, Menschen aufzusuchen, wo sie sind und gleichzeitig die Sonderform aufzubrechen und Gemeinschaft zu haben. Dazu gibt es jedes Jahr viele Gelegenheiten. Herzliche Einladung!
Jutta Sieper
(Lesen Sie die ungekürzte Fassung „Überall – Gott bei den Menschen“ (pdf))
Aus: Der Scheideweg 3/2017, Gefährdetenhilfe Scheideweg e.V.
“Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?”