Advent im Frauengefängnis
Ja, wir gehen ins Gefängnis – und das freiwillig und sogar ausgesprochen gern. Wir sind das Bremer Team des Schwarzen Kreuzes. Einige von uns besuchen die Männer, meine Gruppe geht einmal in der Woche zu den Frauen. Um die zwanzig Frauen sind zurzeit in Bremen in Haft, zehn davon kommen in unseren Gesprächskreis.
Inhaftierte Frauen bekommen noch seltener Besuch als die Männer. Besonders macht sich ihre Einsamkeit in der Weihnachtszeit bemerkbar. Jedes Jahr in der Adventszeit versuchen wir, sie auf andere Gedanken zu bringen. Wir organisieren eine kleine Weihnachtsfeier für die ganze Abteilung. Als Gast von „draußen“ laden wir jemanden ein, der Musik für uns machen kann, einen guten Gitarristen zum Beispiel. Singen müssen wir unbedingt; die Frauen singen ausgesprochen gern. Dann gibt es ein Quiz, kleine Spiele und dann reden sie schon mal über ihre Gefühle. Einen Nachmittag lang sind die Frauen gutgelaunt bei der Sache.
Familienwelten ringsum…
Aber das ist nur ein kleines Trostpflaster angesichts der Tatsache, dass sie getrennt sein müssen von den Menschen, die sie lieben. Und vielleicht das Schlimmste ist, dass sie oft wohl selbst viel mehr an diesen Menschen hängen als umgekehrt. Darüber reden möchten sie nicht. Dann lenken sie ab oder geben sich „cool“ bis kaltschnäuzig: „Weihnachten, das kannste hier vergessen.“ Aber indirekt schimmert doch eine ganze Menge Verzweiflung, Traurigkeit und Wehmut durch. So sagt eine der Frauen: „Telefonieren könnte man, wenn ein Kontakt zu den Kindern oder zur Familie vorhanden ist.“
Das Fernsehen ist nicht gerade eine Ablenkung. Werbung, Filme, Serien, überall geht es in der Weihnachtszeit um mehr oder weniger heile Familienwelten. „Da kommen schon die Gedanken an früher, zu Hause, aber es sind nicht immer gute Gedanken. Es hatte ja nicht jeder ein gutes schönes Zuhause.“ „Oder man denkt an die eigenen Kinder und möchte sie auch gerne beschenken, aber man hat ja nichts, da schämt man sich.“
„Sie wollten es doch besser machen“
Eine Vollzugsbeamtin beschreibt mir die Lage aus ihrer Sicht so: „Den Frauen wird bewusst, was sie an ihren Kindern versäumt haben. Sie wollten es doch besser machen als sie es von ihren Eltern erlebt haben. Und nun haben sie es selber vermasselt.“
Das eine oder andere Positive an der Weihnachtszeit finden die inhaftierten Frauen schließlich doch. „Die JVA gibt sich in vielem schon Mühe“. Eine beliebte Abwechslung ist auch das gemeinsame Backen und Basteln. „Es ist auch cool, wenn man ein Weihnachtspäckchen bekommt.“
Aber vor allem: „Im Januar ist alles vorbei! Dann ist wieder Knastalltag und damit geht`s wieder besser.“ Das bemerken auch wir. Wenn wir dann wieder jede Woche ins Gefängnis kommen, um die Frauen in ihrer speziellen Situation zu begleiten und zu unterstützen, sind sie entspannter. Dann sehen wir sie häufiger mal wieder lächeln oder hören eine Bemerkung wie: „Danke, dass ihr immer kommt und für uns da seid!“ Und wir freuen uns über die Bestätigung, dass unser Einsatz geschätzt wird.
Christine Wessels-Salis
Foto: Roland Bamberger, www.pixelio.de