1. Dezember 2017

Farbe ins Gefängnis bringen

Menschen in Haft als Freiwillige besuchen – welche Erfahrungen macht man da? Ehepaar Seibert erzählt von seiner Form des bürgerschaftlichen Engagements. Erschienen ist der Artikel im Jahresbericht 2017 der Diakonie Niedersachsen.

 

Ehepaar Seibert schreibt einen Brief an einen Gefangenen. Der Bogen ist mit Tierbildern beklebt.

Erst einmal Neugier

„Mörder sind unkompliziert. Das sind eigentlich ganz normale Menschen, die einmal einen schweren Fehler gemacht haben“, sagt Detlef Seibert. Seine Frau Gabriele Lämmerhirt-Seibert nickt. „Betrüger sind manchmal schwierig: Da muss man auch mal hinterfragen, was wahr ist und was nicht“, sagt sie. Die beiden Langenhagener arbeiten ehrenamtlich für das Schwarze Kreuz, das Inhaftierten, Haftentlassenen und ihren Angehörigen hilft – während und nach der Haft.

Seit fünf Jahren sind die beiden dabei. „Natürlich hatten wir Bedenken“, sagt die hauptberufliche Altenheimseelsorgerin, „was ist, wenn einer plötzlich vor unserer Tür steht, sobald er entlassen ist?“ Doch davon ließen sie sich nicht abschrecken. „Es war eine Form der Neugier, übers Ehrenamt neue Bereiche kennenzulernen“, sagt Detlef Seibert. Und so übernahm er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Sehnde den Schachclub, beide besuchen dort Gefangen und schreiben Briefe an Häftlinge in Brandenburg.  (…)

Als Frau unter Inhaftierten

Anfangs hatte Gabriele Lämmerhirt-Seibert vor allem eine Sorge, wenn sich die Gefängnistür hinter ihr schloss und das Gespräch mit einem Häftling beginnen wollte: „Was, wenn es plötzlich brennt? Die Türen sind ja alle zu!“ Doch gebrannt hat es bislang nie – und Angst vor den Gefangenen brauchte sie auch nie zu haben, sagt die 60-jährige: „Eine Frau ist nie allein mit einem Häftling – und wir haben immer ein Notrufgerät dabei.“ (…)

Seine besten Gespräche ergeben sich oft am Rand einer Schachpartie, sagt der 61-jährige (Detlef Seibert). „Dann will einer rauchen, ich gehe mit – und wir reden über das, was ihn beschäftigt. Die Post, die er bekam. Seine Kindheit. Die Schuld, die er auf sich geladen hat.“ Die Gefangenen seien dankbar für diese Gespräche. „Mit wem sollen sie sonst reden?“ Die Beamten symbolisierten immer die „Feindesseite“, das Verhältnis zu Verwandten sie oft belastet. „Wenn sie mit uns reden, können sie ganz normale Menschen sein und sind froh, sich nicht rechtfertigen zu müssen.“

Männer sehnen sich nach Farbe

Im Gespräch zeigten einige Gefangene auch eine andere, eine sanfte Seite, sagt Gabriele Lämmerhirt-Seibert. So hatten sie einst zur Weihnachtsfeier in der Schachgruppe bunte Servietten mitgebracht. “Die Gefangenen fragten, ob sie die mitnehmen dürften in ihre Zelle – sie wollten etwas Schönes bei sich haben.” Aus diesem Grund wähle sie immer farbiges Briefpapier, wenn sie Gefangenen schreibe, und klebe kleine Bildchen darauf. Mit Vögeln oder anderen Tieren. “Ich dachte erst, die Männer finden das kitschig, aber es bringt ein bisschen Farbe in ihren grauen Alltag.” (…)

Wenn wir nur einen Menschen im Gefängnis davon abhalten können, wieder straffällig zu werden, dann haben wir etwas erreicht“, sagt Detlef Seibert. Seine Frau sagt: „Das schafft man nicht mit jedem. Wir sind keine Heilsbringer. Aber wir können zuhören. Damit helfen wir dem Gefangenen, und wenn es klappt, ihn von weiteren Straftaten abzuhalten, hilft es sogar der Gesellschaft.“

Barbara Voigt

Den vollständigen Text “Fast unter Freunden” lesen Sie hier (pdf).

“Warum helfen Sie im Schwarzen Kreuz ausgerechnet Kriminellen?”

 

Foto oben: Diakonie Niedersachsen
Foto unten: saichta, pixelio

 

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Karl Heinrich Waggerl
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